Manipulative Brandversuche

Pressemitteilung vom 20. August 2016

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Press Release August 20, 2016 Manipulative Fire Test (pdf/engl.)

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Communiqué de presse du 20 août 2016 (pdf/francais)

Technische Zeitabläufe unter Vernachlässigung der Fakten aus den Akten

Die Aussage des von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau beauftragten Forensikers Dr. Kurt Zollinger aus Zürich (Schweiz), man wolle „bewusst noch einmal bei „Null“ beginnen“, steht im offensichtlichen Widerspruch zu den Behauptungen des zuständigen Staatsanwaltes Olaf Braun, die Nebenklage und fallkundige Gutachter in die neuerlichen Branduntersuchungen einbeziehen zu wollen und Auskunft zu den Versuchsplänen erteilt zu haben.

Im Angesicht des vorbereiteten Versuchsaufbaues wird offenbar, warum sich Staatsanwaltschaft, Gutachter und Technischer Leiter der Veranstaltung so vehement gegen eine vorherige Bekanntgabe der Versuchsparameter zur Wehr gesetzt hatten – der Versuchsaufbau entsprach in wesentlichen Punkten nämlich nicht mal der „wenig“ dokumentierten Ausgangssituation vom 7. Januar 2005…

  • Die Zelle war derart vorgeheizt, dass man unwillkürlich ins Schwitzen geriet – auf Nachfrage wurde die „Zimmertemperatur“ mit 23°C angegeben und der Heißluftradiator vor Eintreffen der offiziellen Pressegäste entfernt
  • Der Zellennachbau im sechsten Stock einer VEB-Verwaltungsbrache an der südlichen Ausfallstraße von Schmiedeberg war NICHT gefliest – an den Wänden bis etwas mehr als 1 Meter Höhe befinden sich „Plattenstrukturen“ als Fliesenimitate – darüber augenscheinliche Gipskarton-Wände und Decke sowie ein Beton-Fußboden mit Rußspuren von vorhergehenden Brandversuchen – nicht einmal das (zusätzlich unten hohle) Podest ist mit Fliesen versehen worden. Dafür hat man eine Waage eingebaut, die den Gewichtsverlust des „Brandmaterials“ bestimmen helfen soll.
  • Die Matratze ist viel zu klein und reicht trotz eines (2005 nicht vorhandenen) deutlichen Abstandes zur Wand nicht einmal bis zur Außenkante des Podiums, das sie im Original laut Brandbild und Zeugenaussagen jedoch noch deutlich überragt hatte
  • Die Matratze ist bereits aus gutem Grund beschädigt worden:

+ ein Loch auf der Unterseite sei vorgeblich dadurch zu erklären, dass eine Probe des Matratzenschaumes für analytische Ausgangsmessungen entnommen wurde.

+ ein ausgiebiger Schnitt auf der Oberseite in Höhe der rechten Handfessel sei extra für den Brandversuch vorbereitet worden, damit die Feuerwehrleute den Brand zum Zeitpunkt „Null“ dann auch problemlos entzünden können

  • Der Dummy soll im Kern aus einer Art Zement gefertigt sein, heißt es, wobei eine komplette Einhüllung in Alufolie die Einsicht verhindert. Die wärmeleitenden Eigenschaften des Aluminiums spielen keine Rolle, sagt man…

…dieser Dummy soll den Auflagedruck des Körpers Oury Jallohs simulieren, wird erklärt. Er hat einen Torso-Teil mit Kopf und 2 lange schmale Beinimitate. Im Bereich des Beckenschwerpunktes wurde die originale menschliche Anatomie des Brandopfers durch „unbrennbare“, dafür aber leichte, luftgefüllte Steinwolle ersetzt … – … nach der Zündung wird sich dann genau hier eine Feuerbrücke von der rechten auf die linke Mattenseite bilden und so im unteren Bereich zu ausgeprägten Brandschäden führen.

  • Zu guter Letzt wurden „zur Beobachtung von Brandeinwirkungen auf die Haut des Brandopfers noch Schweinehaut-Lappen mit anhängendem Unterhautfettgewebe um die Dummy-Teile herum jeweils auf- und untergelegt, was in Fachkreisen wegen der Brenneigenschaften hitzeverflüssigten Fettes ganz allgemein problematisch gesehen wird…

Ob das Feuerzeug dabei war oder nicht, das spielt hier keine Rolle!“

„Ergebnisoffen“ nannte die Staatsanwalt den Brandversuch, den sie am 18. August 2016, über elf Jahre nach dem ungeklärten Feuertod von Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle, im Beisein zahlreicher Pressevertreter*innen durchführen ließ.

Dabei ging es der Staatsanwaltschaft jedoch nicht etwa um die zentrale Frage nach der bislang ungeklärten Brandursache. Man wolle „bewusst“ bei „Null“ beginnen, legte aber in dem hier vorgeführten Versuchsaufbau und der Durchführung erneut die eigene – zwischenzeitlich auch gutachterlich widerlegte – Hypothese zugrunde, Oury Jalloh habe trotz intensiver Durchsuchung ein Feuerzeug in die Zelle geschmuggelt und trotz Fixierung an Händen und Füßen eine intakte, schwer entflammbare Matratze in Brand gesteckt.

Bereits im Vorfeld dieses Versuches wurde die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser öffentlichen „Brandshow“ aufgeworfen, da zwei Analysen eines verschmorten Feuerzeugrestes, der erst drei Tage später aufgetaucht war, eindringlich bestätigt haben, dass dieses „Beweisstück“ nicht aus den Brandresten der Zelle 5 stammen kann. Das Feuerzeug weist keine DNA oder Spuren der Matratze und der Kleidung Oury Jallohs auf – dafür ist es aber mit zahlreichen anderen Fasern und sogar Tierhaaren verschmolzen. Unverbrannte Anteile der Fremdspuren sind dabei verbrannten Einschmelzungen aufgelagert.

Bis heute weigert sich die Staatsanwaltschaft zu diesen Analysen Stellung zu beziehen – geschweige denn, diese grundsätzlich in ihrem Ermittlungsansatz zu berücksichtigen.

Auf intensive Nachfrage anwesender Pressevertreter und unabhängiger Experten vor Ort, warum die Frage nach dem Feuerzeug im Rahmen dieses Versuches keine Rolle spielen soll, erklärte der beauftragte Brandingenieur Thorsten Prein, „…Es ist auch nicht Ziel dieser Aufgabe, irgendwie festzustellen, ob der Herr Jalloh selber ein Feuerzeug genommen hat oder ob jemand anders das gewesen ist – das können wir jetzt nicht. Das geht nicht. Zum jetzigen Status der Untersuchungen, mit denen wir beauftragt worden sind, ist das nicht möglich.“ (https://youtu.be/IPMXN8dQ13M)

Bereits der damalige Brandsachverständige Steinbach, vom Institut der Feuerwehr Sachsen – Anhalt, hatte vor dem Magdeburger Landgericht erklärt, „er hätte ungleich mehr Versuche durchgeführt“, doch die Fragestellung habe das nicht zugelassen.

Falsche Fragestellungen bringen also keine Antworten und machen derartig Kosten- und Zeitaufwendige Untersuchungen von vorn herein sinnlos …

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

KEIN FEUERZEUG – KEINE SELBSTENTZÜNDUNG – KEIN SELBSMORD

! ! ! O U R Y J A L L O H — D A S W A R M O R D ! ! !

!!! A U F K L Ä R U N G statt V E R T U S C H U N G !!!

WIDER DAS

#VERBRENNEN #VERTUSCHEN #VERSCHEIGEN #VERHINDERN #VERHÖHNEN #VERWEIGERN