Fortsetzung der massiven Repression gegen Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am Landgericht Dessau!
Aufruf zur Prozessbeobachtung
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A K T U E L L :
Die Prozesstermine (13.10.16 -und Folgetermine) sind auf unbestimmte Zeit verschoben!
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Landgericht Dessau, Willy – Lohmann – Str. 29 / 06844 Dessau-Roßlau
Die Beweise für die Ermordung Oury Jallohs im Dessauer Polizeigewahrsam sind eindeutig. Die fragwürdigen Gutachten, die von Staatsanwaltschaft und Gerichten in Auftrag gegeben wurden, widersprechen den Ansichten diverser externer Sachverständiger, die sich mit dem Fall intensiv auseinandergesetzt haben. Anstatt den Mord endlich aufzuklären, versuchen Dessauer Staatsanwälte und Richter jedoch weiterhin, die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Dabei erhalten sie tatkräftige Unterstützung von hochrangigen Dessauer und Magdeburger Polizeiführungskräften:
Im Juni 2015 wurden zwei Aktivisten der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am Amtsgericht Dessau wegen „Störung einer Versammlung“ (gemeint ist die Gedenkveranstaltung der Stadt Dessau am 7.1.2013 im Beisein des damaligen Revierleiters Georg Schwabe – verwickelt in den Mord von Yangjie Li, des damaligen Polizeipräsidenten Michael Schulze, des Leiters der Staatsanwaltschaft Dessau Folker Bittmann – verwickelt in die manipulativen Mordermittlungen um Oury Jalloh und Yangjie Li und des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Clemens Koschig), „Nötigung“ (von Steffen Andersch, der aufgrund seiner verbalen Provokationen von der Gedenkdemonstration der Initiative verwiesen wurde) sowie „Beleidigung“ (von Dessauer Staatsschützern, die nach eigener Aussage im Vorfeld darauf angesetzt worden waren, gezielt Aktivist*innen der Initiative strafrechtlich zu verfolgen) zu Geldstrafen verurteilt.
Gegen den vorsitzenden Richter Rosenberg wurden im Zuge der 18 Tage andauernden Verhandlung mehrere Befangenheitsanträge eingereicht, weil bereits am ersten Prozesstag eine Vorfestlegung des Richters zum Nachteil der Angeklagten offenkundig geworden war, was sich unter anderem in der von ihm betriebenen Verschleppung des Prozesses über 7 Monate oder der Einschüchterung von Zeugen in seinen weiteren Handlungen zeigte.(Befangenheitsantrag RA Belter 9.1.2015)
Alle Anträge der Angeklagten und deren Verteidiger*in wurden durchweg abgelehnt. Dazu gehörten unter anderem beide Anträge auf Pflichtverteidigung, der Antrag auf Akteneinsicht durch die Verteidigerin und Anträge auf die Ladung von Zeugen wie dem Leitenden Oberstaatsanwalt Folker Bittmann oder dem Leiter des Multikulturellen Zentrums, Razak Minhel.
Einen Tag vor Prozessende, am 12.6.2015, hatte die Verteidigung beantragt, den damaligen Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Ost, Michael Schulze, sowie den im Jahr 2013 amtierenden Direktor der Landesbereitschaftspolizei, Rigo Klapa, in den Zeugenstand zu rufen. Ein vor dem Amtsgericht erschienener Zeuge vom Dessauer Staatschutz hatte im April 2015 bei seiner Befragung durch die Verteidigung erklärt, dass es eine Dossiermappe gibt, in welcher „Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ und „prominente Unterstützer“ aufgeführt sind. Fakt ist, dass auch die beiden Angeklagten darunter sind.
“Durch die Bekundungen der Zeugen wird die Existenz der anlasslosen Sammlung und mithin bewiesen, dass ein institutionalisierter Verfolgungseifer gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh besteht. Die Weitergabe der Sammlung, für die eine Rechtsgrundlage nicht existiert, in den Bereich der Polizei und am Einsatz beteiligte Beamte verletzt das Persönlichkeitsgrundrecht der Betroffenen.”, erklärte Rechtsanwalt Thomas Moritz, der Verteidiger des Angeklagten.(https://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/2015/04/1-beweisantrag-12-6-2015.pdf)
Aus juristischer Sicht wäre deshalb das Verfahren gemäß § 260 III StPO wegen eines von den Ermittlungsbehörden zu verantwortenden Verfahrenshindernisses einzustellen gewesen. Richter Rosenberg lehnte auch diesen Beweisantrag nach einigem Zögern ab und beendete den Prozess am darauffolgenden Verhandlungstag am 19.6.2015 mit dem besagten Schuldspruch.
Aufgrund dessen, dass auch der Landtagsabgeordnete Striegel in dieser Dossiermappe ins Visier genommen wurde, zeigten sich GRÜNE und LINKE im sachsen-anhaltinischen Landtag empört über derart rechtswidrige Methoden der Polizei, die sich offensichtlich auch gegen sie selbst richten. Am 8.7.2015 fand deshalb eine Sondersitzung im Landtag statt, in welcher Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erst versucht hatte, eine Aufklärung im Innenausschuss zu verhindern und dann “um den heißen Brei eierte”.
(http://gruene-fraktion-sachsenanhalt.de/pressemitteilungen/pressemitteilungen/2015/07-2015/aufklaerung-erst-auf-druck-der-opposition/)
Am 13. Oktober 2016 beginnt nun die Revisionsverhandlung gegen einen der Angeklagten, der von Rosenberg zu einer Geldstrafe von insgesamt 6.000 Euro verurteilt worden war.
Die Staatsanwaltschaft Dessau hatte gegen beide Urteile Berufung eingelegt, weil die „abgeurteilten Strafen gegen die Angeklagten nicht tat- und schuldangemessen waren“. Sie forderte deshalb die Verurteilung der Angeklagten zu höheren Einzel- bzw. Gesamtstrafen. Dem Angeklagten unterstellt sie – zynischerweise – eine „offensichtliche Einsichtsunfähigkeit in das begangene Unrecht“. Gegen die Mitangeklagte, die zu einer Geldstrafe von 225 Euro verurteilt worden war, wurde die Berufung trotz Widerspruchs der Verteidigung abgelehnt.
Seit der Ermordung Oury Jallohs im Dessauer Polizeigewahrsam am 7.1.2005 sehen sich all jene Menschen massiven Repressionsmaßnahmen seitens Polizei, Staatsanwaltschaft und Richtern ausgesetzt, die für die Wahrheit kämpfen. Wir haben es hier mit einem institutionalisierten Verfolgungsirrsinn zu tun, der darauf abzielt, die Aufklärung der Todesumstände von Oury Jalloh durch Verfolgung und Einschüchterung zu verhindern. (https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/repression/)
Weitere Informationen zum Prozess vor dem Amtsgericht Dessau 2014-2015:
Prozesserklärung der Angeklagten am 27.11.2014 (pdf)
Prozesserklärung 19.12.2014 (pdf)
Pressemitteilung zum laufenden Prozess vor dem Amtsgericht Dessau 20.1.2015 (pdf)
Plädoyer der Angeklagten am 19.6.2015 (pdf)