„Kapitulation des Rechtsstaates“ oder kalkulierte Farce?

Die Einstellung der Ermittlungen im Fall Oury Jalloh – Hypothesen vs. Fakten

Erklärung der Initiative als pdf

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Mail: initiative-ouryjalloh@so36.net

Die Einstellung der Ermittlungen im Fall Oury Jalloh – Hypothesen vs. Fakten

Die Leitende Oberstaatsanwältin Heike Geyer aus Halle verkündet in der ersten Pressemitteilung ihres Hauses im laufenden Jahr überhaupt[1], sie habe nach

sorgfältiger Prüfung der vorliegenden Erkenntnisse … die Ermittlungen zum Tod des Oury Jalloh eingestellt, weil das am 07.12.2012 von Amts wegen eingeleitete Verfahren keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben hat und eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten ist“ weil „…der konkrete Ausbruch des Brandes, dessen Verlauf und das Verhalten des Oury Jalloh nicht sicher nachgestellt und nicht eindeutig bewertet werden können.“[0]

In einem Fax an die Anwältinnen der Hinterbliebenen bekundet sie zeitgleich mit ihrer Veröffentlichung:

Ich habe die Prüfung persönlich nachvollzogen…“ und

Die ausführlichen Gründe der abschließenden Entscheidung sind in einem Vermerk vom 30.08.2017 nieder-gelegt, der Bestandteil der Akte ist.“

Diese Aussagen der LOStÄ Geyer sind Zirkelschlüsse sich selbst bestätigender Behauptungen („Sorgfalt“) und Arbeitshypothesen (‚Un-Möglichkeit‘), denen wir im Folgenden nachgehen wollen.

1 Behauptungscheck:

  • Die StAW Halle wurde lt. Generalstaatsanwaltschaft Naumburg im Juni 2017 mit der Prüfung weiterer Ermittlungen beauftragt, nachdem der StAW Dessau das Ermittlungsverfahren entzogen worden war[2]

  • Dies teilte der Sprecher der GenStA Naumburg OStA Klaus Tewes allerdings erst 2 Monate später der Presse mit und wies auf die Umfänglichkeit der Ermittlungsakten (6 Aktenkartons mit 2 Ermittlungsverfahren, 2 Gerichtsverhandlungen und 2 Revisionsverfahren) hin. Er bat um Rücksichtnahme und Zeit zur ‚sorgfältigen Prüfung der Aktenlage‘ (siehe Tagespresse vom 16.-18.08.2017)[3]

  • Bereits 2 Wochen später war die „‚sorgfältige‘ ‚Prüfung‘ der Aktenlage“ mit erwähntem Vermerk vom 30.08.2017 allerdings schon ‚ausführlich‘ ‚abgeschlossen‘ – ganze 3 Monate SORGFALT für 6 Aktenkartons mit Ermittlungen, Gutachten, Stellungnahmen und Urteilsbegründungen aus über 12 Jahren?

und die Frau LOStÄ Geyer ‚vollzieht‘ das Ganze dann in 42 Tagen ‚nach‘ und findet „keine ‚zureichenden‘(?) ‚tatsächlichen‘(?) ‚Anhaltspunkte‘(?) für das ‚Vorliegen‘(?) einer ‚Straftat‘(?)“ ???

In Kenntnis der TATSÄCHLICHEN Fakten und Erkenntnisse, die im bisherigen Verlauf der „Ermittlungen“ bekannt geworden sind, könnten sich juristische Laien ja nun zum Beispiel die folgenden Fragen stellen:

  • Ist es TATSÄCHLICH ein UNZUREICHENDER ANHALTSPUNKT, wenn sich ein 4-Punkt-fixierter Mensch auf einer feuerfesten Matratze gar nicht selbst angezündet haben KANN, schon weil es am dazu notwendigen Zündmittel (= FEUERZEUG) fehlte?

  • Ist es TATSÄCHLICH keine STRAFTAT in Deutschland, angekettete Menschen aus Afrika anzuzün-den? Oder ist eine solche Tat „nur“ nicht ZUREICHEND strafwürdig?

  • KANN eine SORGFALT der PRÜFUNG der Aktenlage schon deswegen NICHT VORLIEGEN, weil die Beantwortung der zentralen Frage im Fall – nämlich die nach dem FEUERZEUG – „einfach“ verweigert wird … bis heute!?

  1. Faktencheck:

  • Anlass der Einleitung eines gesonderten Todesermittlungsverfahrens z.Nt. Oury Jalloh war für den

damals fallverantwortlichen Dessauer OStA Christian Preissner ein Gutachten des LKA Sachsen-Anhalt

zur Spurenlage an einem erst nachträglich zu den Akten gelangten FEUERZEUG, an dem sich keinerlei

Spuren aus der Brandsituation in Zelle Nr.5 am 7. Januar 2005 nachweisen ließen.

(Gutachten Schmechtig vom 22.06.2012)[4]

  • OStA Preissner ließ diesen Befund des LKA Sachsen-Anhalt dann vom LKA Baden-Württemberg nochmals verifizieren, wodurch sich zusätzliche ANSATZPUNKTE durch das „Vorkommen von völlig verkohlten Textilresten und Feuerzeugteilen gemeinsam mit augenscheinlich gänzlich unversehrten Fasermaterialien, die zum Teil den verkohlten Textilresten und -bröckchen direkt aufgelagert waren.“

ergaben, die einen Zusammenhang des manipulierten FEUERZEUGES mit dem Tatortgeschehen ultima-tiv ausschlossen. (Gutachten Ritter vom 31.07.2014)[5]

  • OStA Preissner hatte zwischenzeitlich mehrere Aktenvermerke in Bezug auf die Gutachten zum FEUERZEUG erstellt:

“Ferner wären Versuche zu bedenken, um das Schmelzverhalten eines gleichen oder gleichartigen Feuerzeugs unter verschiedenen Bedingungen (z.B. offene und verdeckte Lagerung bei unterschiedlichen Temperaturen) zu untersuchen und darzustellen.“ (vom 18.11.2013)

Lässt sich feststellen, ob das Einmalfeuerzeug außerhalb der Gewahrsamszelle in denjenigen Zustand der Zerstörung versetzt worden ist, in dem es sich heute befindet?“ oder

Wären zwingend Reste Matratze, Kleidung und DNA von Oury Jalloh am Feuerzeug zu erwarten?“ (vom 14.03.2014)

Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hat zu diesen selbst formulierten Fragestellungen jedoch zu keinem Zeit-punkt eine fachliche Stellungnahme in Auftrag gegeben!!! – WARUM NICHT???

  • Bereits am 01.12.2014 fragte die Anwältin des Bruders von Oury Jalloh bei OStA Preissner nach, ob die Staatsanwaltschaft Dessau trotz der vorliegenden Gutachten zum Feuerzeugrest noch immer davon ausgehe, dass der verschmorte Feuerzeugrest am Brandgeschehen in der Gewahrsamszelle 5 beteiligt gewesen sein kann?

  • Am 25.09.2015 stellte sie dann einen Antrag auf Beantwortung ihrer detaillierten Stellungnahme

Sechs Gründe, warum Oury Jalloh nicht selbst Feuer gelegt haben kann“[6]

Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hat diese Anfrage bis heute NICHT BEANTWORTET – WARUM?

Der Staatsanwaltschaft Halle wiederum erhielt nun im Zusammenhang mit dem Antrag auf Akteneinsicht erneut die ausführlich begründete Stellungnahme „Sechs Gründe …“ zugesendet … UND? … stellt daraufhin das Ermittlungsverfahren umgehend und vollständig ein.

Diese Ignoranz gegenüber einer faktisch belegten Tatortsituation am 7. Januar 2005 findet sich darüber hinaus auch noch in tatortfremden Versuchsaufbauten aller Bewegungs- und Brandversuche im Auftrag der StAW Dessau, in zielgerichteten Eingrenzungen verschiedenster Gutachteraufträge auf die „Selbst-anzündungshypothese“ bis hin zu unhaltbaren Fehlinterpretationen von Gutachtenergebnissen wieder. Auf dieser Grundlage wurden die Selbstanzündungshypothese ausschließende Fakten sowie belegende ANHALTSPUNKTE der gegenläufigen „Anzündungshypothese“ systematisch ausgeblendet und weder juristisch bewertet noch TATSÄCHLICH untersucht.

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Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hat ihr „Urteil“ über den vermeintlichen „Rechtsstaat“ in Deutschland im Allgemeinen und in Sachsen-Anhalt im Besonderen einmal mehr in besonderer Eindrücklichkeit bestätigt bekommen: Eine Justiz, die eine Täterschaft von Polizeibeamten von vornherein ausschließt und damit vertuscht, die Beweismittelmanipulationen nicht erkennen und erst recht nicht strafrechtlich verfolgen will. Zu diesem Zwecke werden dem Opfer der eigentlichen Straftat auch noch eine faktisch unmögliche „Tathandlung“ in einer noch dazu unmöglichen „Verkettung“ von Abläufen unterstellt! Dies ist

keine Strafverfolgungsbehörde

sondern

eine Strafverhinderungsbehörde

im Auftrag einer Staatsräson, die „Schäden abwenden“ soll, die längst entstanden sind!

Durch die unmittelbare und kontinuierliche Verleugnung der möglichen (und letztlich notwendigen!) Tatbeteiligung Dritter (Polizisten) sowie der frühestmöglichen Täter-Opfer-Umkehr auf der Grundlage von konkret unbelegten – weil verallgemeinernden – „Ausschlusshypothesen“ (Polizisten hätten kein Motiv // Polizeizeugen könnten nicht kollektiv lügen // eine Vertuschung auf mehreren Ebenen der beteiligten Verantwortungsebenen von Polizei und [General]Staatsanwaltschaften bzw. Justiz- und Innenministerium sei unmöglich vorstellbar) wurde die Ermittlungsarbeit im oben benannten Stil unzulässig auf nur eine vorgegebene Ausrichtung der Ermittlungen beschränkt und damit die vielbeschworene „Unabhängigkeit der Justiz“ korrumpiert und unterlaufen.

Wenn Täterschutz ins Zentrum des Handelns vermeintlicher Ermittlungsbehörden und sich darauf stützender Urteilsbegründungen gestellt wird, wenn gesunder Menschenverstand, forensische Ermittlungsstandards und die Gesetze der Logik nachvollziehbar außer Kraft gesetzt werden und gleichsinnig verdreht für Schuldzuweisungen gegen das Opfer der Straftat missbraucht werden, kann von Unabhängigkeit wohl zu Recht keine Rede mehr sein!

Deswegen bereitet die Initiative momentan die Etablierung einer unabhängigen internationalen Untersu-chungskommission[7] für weitere Ermittlungen im Fall selbst, zur kritischen Analyse der „rechtsstaatlichen“ Wertungen und Urteile, zur Bewertung der wiederholten Repression gegen Aktivist*innen der für Aufklärung streitenden Initiative in Gedenken an Oury Jalloh sowie eine gesamtgesellschaftliche Einordnung der Befunde in den von Experten der UN zuletzt beklagten institutionalisierten Diskriminierungen von Menschen mit Afrikanischer Abstammung in Deutschland vor.

Unser Kampf für Aufklärung, Gerechtigkeit und Anerkennung staatlicher Verantwortung ist mit der nun öffentlichen Verweigerung des Rechtsstaates noch lange nicht vorbei!

FAKTEN lügen nicht

KONTINUITÄT und unabhängiger wissenschaftlicher Sachverstand sind unsere Antwort!

OURY JALLOH — DAS WAR MORD !

[1]http://www.presse.sachsenanhalt.de/index.phpcmd=get&id=887297&identifier=692c4dc3227558b23e7c4d64fd7a69de

[2]http://www.presse.sachsenanhalt.de/index.phpcmd=get&id=886130&identifier=dbb693479b24f5c32225b33b70d03375

[3]https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2017/08/16/generalstaatsanwaltschaft-entzieht-staatsanwaltschaft-dessau-das-

ermittlungsverfahren-im-fall-oury-jalloh/

[4]https://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/2016/02/pm-zur-staatsanwaltschaft-23-02-2016_finale.pdf

[5]https://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/2016/02/gutachten-feuerzeug-lka-baden-wc3bcrttemberg-ritter-31-07-20141.pdf

[6]https://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/2015/10/sechs-grucc88nde-gabriele-heinecke-25-09-2015.pdf

[7]https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2017/08/21/gruendung-einer-unabhaengigen-internationalen-untersuchungskommission-im-

fall-oury-jalloh/

 

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