Gerechtigkeit für Mouctar Bah und Fax-Aktion zur Unterstützung

Eine Kampagne gegen den Versuch der Stadt Dessau, die Existenz eines afrikanischen Aktivisten zu zerstören, weil er protestierte, als sein Freund in einer Polizeizelle verbrannte

Kampagnenflugblatt zum Download:

Am Morgen des 7. Januar 2005 wird der sierra-leonische Asylbewerber Oury Jalloh von der Dessauer Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Dabei wird Oury Jalloh geschlagen und an Händen und Füßen mit Ketten auf dem Boden einer Zelle gefesselt. Aus ungeklärter Ursache bricht vier Stunden später in seiner vollständig gefliesten Zelle ein Feuer aus. Die
diensthabenden Polizisten stellen drei Mal den Feueralarm ab, statt Jalloh zur Hilfe zu kommen.

Er verbrennt qualvoll. Seitdem fordern Freunde des westafrikanischen Flüchtlings und antirassistische Initiativen in ganz Deutschland „Aufklärung, Entschädigung, Gerechtigkeit“. Sie gründeten die “Initiative Oury Jalloh”. Unter dem Motto „Oury Jalloh, das war Mord!“ organisierten sie zahlreiche Protestaktionen in Dessau und anderen Städten.

Die zentrale Figur der Protestaktionen: Mouctar Bah, ein Freund von Oury Jalloh und ehemaliger Betreiber eines Internet-Cafés in der Dessauer Innenstadt. Schon 2006 entzog man ihm hierfür die Lizenz mit der Begründung, er sei nicht offensiv genug gegen Drogenverkäufe in der
Umgebung seines Geschäfts vorgegangen. Seitdem arbeitet er als Angestellter in dem Internetcafé.

Doch auch dies soll ihm nun verboten werden: Wegen angeblicher Beschwerden von Nachbarn über Lärm und Schmutz seiner Kunden und weil er – entgegen seiner Auflagen – eine “leitender” Funktion in dem Café gehabt haben soll, soll er nun überhaupt nicht mehr dort arbeiten dürfen.
Mit einer Kampagne versucht sich das Land Sachsen-Anhalt als “aktiv gegen
Fremdenfeindlichkeit” darzustellen. Aber als ein Flüchtling unter
ungeklärten Umständen qualvoll im Dessauer Polizeigewahrsam verbrannte,
musste erst ein Freund des Flüchtlings, selbst ein Afrikaner, den Fall an
die Öffentlichkeit bringen. Erst dann kam die Justiz so unter Druck, den
Fall zu untersuchen.

Dafür rächen sich nun die Behörden der Stadt. Mit fadenscheinigen und
rassistischen Begründungen wird ihm verboten, weiter in seinem
Internet-Café zu arbeiten. Wegen seines Engagements gegen Polizeigewalt
zerstört der Staat die Existenzgrundlage des Aktivisten.

Wir rufen auf zur Unterstützung von Mouctar Bah!

Mouctar Bah eröffnete vor vier Jahren in Dessau sein Telecafè. Es ist
einer der wenigen Orte in der Stadt, in dem sich afrikanische Flüchtlinge
treffen und in Sicherheit fühlen können. Doch nach dem Tod von Oury Jalloh
geriet er ins Visier der Behörden. Auf Druck der von ihm gegründeten
“Initiative Oury Jalloh” muss die Staatsanwaltschaft den verkohlten
Leichnam des Flüchtlings für eine zweite, unabhänige Obduktion frei geben.
Dabei wird am Leichnam Jallohs ein Nasenbeinbruch festgestellt, der in der
ersten Obduktion übersehen wurde. In der preisgekrönten Dokumentation „Tod
in der Zelle“ des WDR und auch in Interviews mit anderen Medien bezweifelt
Mouctar Bah die von der Staatsanwaltschaft verbreitete Erklärung für
Jallohs Tod, dieser habe sich trotz Fesselung selber angezündet.

Unbeliebt bei den Behörden war er schon vorher. Schon seit drei Jahren
bemüht sich das Ordnungsamt, Mouctar Bah die Gewerbelizenz für sei Café zu
entziehen. Die Tatsache, dass Menschen schwarzer Hautfarbe dort einen
Treffpunkt haben, reichte der Behörde hierfür schon als Grund, um Bahs
Café als “Umschlagplatz für Drogen” hinzustellen.

Dabei hat Mouctar Bah selber mehrfach Dealer bei der Polizei angezeigt.
Trotzdem wird ihm vorgeworfen, die Anzeigen erst dann gestellt zu haben,
als offensichtlich geworden sei, dass die unerlaubten Aktivitäten nicht im
Verborgenen blieben. Das sah zumindest das Verwaltungsgericht so, bei dem
Mouctar Bah gegen den Entzug seiner Lizenz geklagt hatte. Es bestätigte
Anfang 2006 den Bescheid des Ordnungsamtes. Mouctar Bah musste das
Geschäft abgeben, wurde jedoch von dem neuen Besitzer wieder eingestellt.

Nach einem Jahr beantragte er die Wiederzulassung der Lizenz. Das
Ordnungsamt kann diese nur dann verweigern, wenn triftige Gründe dagegen
sprechen. Die Behörde meint fündig geworden zu sein. In einem Brief erhob
sie folgende Vorwürfe gegen Mouctar Bah:

Weil er alleine in dem Laden arbeite sei er “leitend tätig”, was gegen die
Auflagen aus dem Entzug seiner Lizenz verstoße.
Seine Kundschaft würde die Umgebung des Cafés verschmutzen, gegen die
Wände urinieren und nachts Lärm machen.
Der Drogenhandel würde fortgesetzt.
Vorwiegend Afrikaner würden laut Beobachtungen der Polizei das Geschäft
aufsuchen, es verlassen und „mehrmals im Tagesverlauf (…) zu Fuß oder
mit einem Fahrrad“ wieder zurückkehren.
Einige der Cafébesucher hätten den ihren zugewiesenen Landkreis ohne
Genehmigung verlassen und damit gegen die Residenzpflicht verstoßen.

Zudem verwies das Ordnungsamt auf vier Anzeigen, die gegen Mouctar Bah
erstattet wurden. Zwei davon stammen von einem Nachbarn des Cafés, dem die
Anwesenheit der Afrikaner vor ihrer Tür ein Dorn im Auge ist. Der bekannte
Rechtsradikale hat Bah mehrfach vor dessen Café beschimpft. Zwei Mal blieb
es nicht bei Worten, der rechte schlug zu – beim zweiten Mal wehrte sich
Bah, sein Nachbar musste ärztlich behandelt werden. Aus Rache erstattete
er gleich zwei Anzeigen gegen Bah – wegen Körperverletzung.

Im erstn Fall glaubte der Richter, dass Bah das Opfer und nicht der
Agressor war und sprach ihn frei. Das zweite Verfahren läuft noch. Die
dritte Anzeige stammt von einem Polizisten, der sich während der
Gerichtsverhandlung gegen seine Kollegen wegen des Todes von Oury Jalloh
von Bah beleidigt gefühlt hatte. Das Verfahren wegen der vierten Anzeige
schließlich wurde schon vor längerer Zeit von der Staatsanwaltschaft
eingestellt.

Die bloße Tatsache, dass jemand Anzeige gegen ihn erstattet hat, deutet
das Ordnungsamt als Indiz für “große charakterliche Mängel” . Nichts
desto trotz stellt das Ordnungsamt fest: „Ein Verhalten, das wiederholt
polizeiliche Ermittlungsverfahren notwendig macht, lässt unabhängig vom
Ergebnis der Ermittlungen auf große charakterliche Mängel Ihrer Person
und auf das Vorhandensein einer doch fehlenden Akzeptanz der Normen
gesellschaftlichen
Zusammenlebens und der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland schließen.“

Die bloße Tatsache, dass Anzeigen erstattet wurden, unabhängig vom Ausgang
des Verfahrens, wird zum Indiz für “große charakterliche Mängel”. Dies
zeigt den unbedingten Willen des Ordnungsamtes, Mouctar Bah zu
diskreditieren.
Mouctar Bah wird für das Verhalten „seiner“ Kundschaft verantwortlich
gemacht, weil es sich um Menschen handelt, die schon durch ihre Hautfarbe
und ihren Aufenthaltsstatus im Focus der Polizei stehen. Dass er sich
dabei sehr wohl um die Sauberkeit des Umfeldes und die Aktivitäten der
Anwesenden kümmert, legt ihm die Behörde nicht als Pflichterfüllung,
sondern als „Mitwisserschaft” aus. Das Mouctar Bah bei der Polizei
Meldungen gemacht hat, als er bemerkt hat, das in der Umgebung seines
Cafés gedealt wurde, deutet das dem Ordnungsamt so, dass er von den
Aktivitäten weiß und wirft ihm vor, diese nicht unterbunden zu haben.

Sein Telecafé soll das Verhalten seiner Kunden erst provoziert haben: „Es
ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Vorkomnisse in der
Friedrich-Naumann-Strasse auf das Vorhandensein und die Art des
Geschäftsbetriebes Telekommunikationsdienstleistungen sowie Ihre alleinige
Präsenz zurückzuführen sind“.

Seit März 2007 stehen zwei Polizisten wegen des Todes von Oury Jalloh vor
Gericht. Eine Aufklärung des Mordes ist aber nicht absehbar – denn die
beiden und ihre Kollegen schweigen.

Mittlerweile sind die Polizei und die Stadt Dessau für ihren freundlichen
Umgang mit rechtsextremen Aktivitäten bekannt geworden und bemühen sich
nun um ein anderes Bild in der Öffentlichkeit. Doch wenn es um
Nicht-Deutsche und insbesondere Menschen schwarzer Hautfarbe geht, können
sie ungerührt mit ihrer Verachtung und Diskriminierung fortfahren – die
bürokratischen Mittel stehen ihnen zur Verfügung. Denn worin die
„Akzeptanz der Normen gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Gesetze
der Bundesrepublik Deutschland“ bestehen ist lediglich eine Frage der
Definition seitens der gesetzgebenden Macht. Und diese Definition wird
durch die Institutionen der Macht und deren Gewalt durchgesetzt.

Jeden Tag sind vor allem Menschen dunkler Hautfarbe in Deutschland davon
betroffen – auf der Straße wie hinter den Mauern der Polizeistationen.

Seit Jahren muss Mouctar Bah den Druck der Dessauer Institutionen
standhalten, die versuchen, ihm seine Existenzgrundlage in dieser Stadt zu
nehmen. Seit dem Tod von Oury Jalloh hat sich dieser Druck erheblich
verstärkt.

Schon mindestens einmal auf diesem Weg in Dessau ein Café, das
Flüchtlingen, MigrantInnen und der African Comunity dieser Stadt als
Treffpunkt diente geschlossen.

Dessaus Behörden verlassen sich darauf, dass auch im Fall von Mouctar Bahs
Telecafé keine größere Öffentlichkeit interveniert und auf administrativem
Weg eine Fortsetzung ihrer bisherige Praxis der Ausgrenzung von
Flüchtlingen und MigrantInnen schaffen. Das darf ihnen nicht gelingen!

Deshalb fordern wir eine breite Solidarität mit Mouctar Bah. Bitte
beteiligen sie sich an Faxkampagne an das Dessauer Ordnungsamt.

Weitere Infos
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
http://thecaravan.org
Initiative Oury Jalloh
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com

Fax-Aktion zur Unterstützung von Mouctar Bah

Absender

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(Ort und Datum)

An die
Stadt Dessau-Roßlau
Amt für Ordnung und Verkehr
z. Hd. Frau Lindner
per Fax: 03 40.20 4-29 36

Kein Entzug der Gewerbelizenz für Mouctar Bah

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich protestiere gegen den Entzug der Gewerbelizenz von Mouctar Bah und
fordere Sie auf, Herrn Bah zu gestatten, auch künftig sein Telefoncafé zu
betreiben.

Mit freundlichen Grüßen,

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